Der Unterschied in der Küche oder auch anderswo –
Von Jean-François de Troy (1679 – 1752) stammt das wahrscheinlich 1734 oder 35 gemalte Bild, dem man den Titel
« Austernfrühstück » gegeben hat. Wir befinden uns in der Amtszeit Ludwig XV, dem Urenkel des Sonnenkönigs, Ludwig XIV (1710 – 1774). Im zarten Alter übernahm dieser 1715 von seinem Uropa die französische Erbschaft. Ein in mehrerlei Hinsicht interessantes Gemälde – Champagner und Austern: was seit dem gerade vergangenen 17. Jahrhundert das eben dort entdeckte Prinzip der Flaschengärung betrifft, aber auch den Verzehr der Meeresfrüchte, die früher mal ganz billiges Lebensmittel aus dem Meer für die armen Schweine der Küste und gleichzeitig hoher Luxus für die Mächtigen, die seit der Antike – auch weit ab von der Küste – gar nicht genug davon bekommen konnten. Und gleichzeitig ein Spiegel gesellschaftlicher Veränderungen, wo mittlerweile der Adel sich von absolutistischer Macht emanzipieren konnte und seinerseits nach Herzenslust sich aneignen konnte, wonach es ihm stand.
Die Tischsitten sind locker und der Eindruck ist der, dass hier Mächtige sich ihrer absolut sicher sind. Die Austern an den Versailler Hof zu schaffen muss damals schon nicht ganz unkompliziert gewesen sein; in einer Zeit, wo das gemeine Volk eher gar nix zu knabbern hatte. Auch wenn die Aufstände der Bourgeoisie noch kommen, bereitet sich hier der Machtanspruch derselben vor; es lebe der Konsum, koste es was es wolle.
In Frankreich und auch anderswo gelten in der Weihnachtszeit Austern und Champagner als Inbegriff kulinarischen Glücks – wir sehen mal von der unglückseligen Stopfleber ganz ab, weil es ziemlich schwierig ist, nicht zu verstehen und einzusehen, das, Tieren Schmerzen zuzufügen, damit das Geschmackserlebnis größer wird, so ziemlich mit das Dümmste ist, was vorstellbar ist.
Nein, bei der Stopfleber könnte die Bourgeoisie locker noch mit sich selbst in Reine kommen. Was bei Austern und Champagner sich sicherlich noch anders verhält. Aber erst recht bei allem Sonstigen. Anbei ein Motiv der nicht nur in Frankreich zu findenden kleinen Feinkostläden – rund 10 Jahre alt – doch so oder ähnlich auch heute noch existent.
Was ist dabei das Problem? Man sagt, dass guter Geschmack, gute Lebensmittel nun mal ihren Preis haben müssen. Und man sagt auch schlimmstenfalls, wer nicht arbeitet, auch nicht essen soll.
Nun ist die Realität aber die, dass selbst, wenn man arbeitet, es noch lange nicht zum Essen reicht, und erschwerend hinzukommt, dass es zum Beispiel gar keine Arbeit mehr gibt. Woher zum Teufel soll das ganze Geld kommen, von dem man sich all die schönen Sachen nur kaufen kann, wenn man es hat.
Es sollte sich herumgesprochen haben, dass leider recht wahrscheinlich ist, dass man nie in die Lage kommt, sich das alles zu leisten, selbst wenn man sich noch so anstrengt. Der bürgerliche Traum, einmal im Leben das im Munde zusammengekommene Wasser mit all den schmackhaften Sachen herunter schlucken zu können, erweist sich immer öfter als Seifenblase. Schlürfen, schmecken, schlucken, kauen – für viele nichts als ein Traum, der nie in Erfüllung gehen wird.
Auch wenn in den neunziger Jahren als Folge des unübersehbaren Chaos in den Ländern der damaligen Sowjetunion plötzlich auch bei ALDI in Deutschland Kaviar in kleinen Dosen verkauft wurde, ändert ein solcher Verlauf der Geschichte rein gar nichts daran, dass gute Lebensmittel und nicht nur Luxusgüter nur gegen Cash zu haben sind.
Nichts aber auch gar nichts ist so AFFIRMATIV wie die Begeisterung für Hoheküche, edle Genüsse, den sprichwörtlichen guten Geschmack, weil die, die all das sich leisten können, gar kein Interesse daran haben, dass sich das ändert.
Wie viel leichter ist es da, die, die da den Fleisch-Sonderposten zu 1,99 konsumieren, für ihr eigenes Dilemma selbst verantwortlich zu machen. Sie seien selbst schuld, wenn sie Dreck statt Lebensmittel bekommen. Der bürgerliche Traum wäre der, das eines Tages sich der Mühe Qual rechnen werden wird, sich angestrengt zu haben, ordentlich und arbeitsam gewesen zu sein, dem bürgerlichen Staat ein anständiger Citoyen gewesen zu sein – die nackte Wahrheit ist anders; nie wird man durch bürgerliche Lohnarbeit auch nur irgendwas dergleichen erreichen – gestern, heute und auch morgen nicht.